Vom Märchen Peterchens Mondfahrt von Gerdt von Bassewitz aus dem Jahr 1912 gibt es bereits zwei Verfilmungen: einen Fernsehfilm in Schwarz-Weiß aus dem Jahr 1959 und eine Zeichentrickadaption von 1990. Beide erscheinen aus heutiger Sicht schon lange überholt und wenig attraktiv für den Nachwuchs, der kunstvoll Animiertes und am Computer Aufgehübschtes gewöhnt ist. Wohl auch deshalb machte man sich an eine Neuverfilmung der Geschichte um den Maikäfer Herrn Sumsemann. Doch gelungen ist das nicht.
Im Zentrum stehen auch in Peterchens Mondfahrt von Ali Samadi Ahadi mit Peter und Anna ein Geschwisterpaar. Die beiden sind mit ihrer Mutter in eine neue Stadt und in ein neues Haus gezogen. Sie versuchen, sich dort einzufinden, ecken aber recht schnell bei der fiesen Angebergruppe aus Peters Klasse an. Peter fühlt sich in seinem Heimweh bestätigt, Anna aber lässt sich auch von den größeren, stärkeren und gewaltbereiten Jungs nicht unterkriegen. Peter soll aber eine Mutprobe machen und rettet dabei das Leben eines Maikäfers.
In der Nacht entdeckt Anna besagten Maikäfer in ihrem gemeinsamen Zimmer. Er stellt sich als Herr Sumsemann vor und erzählt dem Mädchen die Geschichte von der Verbannung seiner Birke auf dem Mond, das Verschwinden seiner Ehefrau und das Fehlen seines sechsten Beinchens. Anna weckt umgehend ihren großen Bruder Peter, doch der tippt sich an die Stirn, als Anna ihm von einem sprechenden Maikäfer und einer Mission auf dem Mond berichtet.
Peter ist eigentlich an allem interessiert, was das Universum, andere Planeten oder den Mond angeht – schließlich war sein Vater Astronaut. Aber der Wissenschaftler in ihm weiß auch, dass es sprechende Tiere nicht gibt und man nicht einfach so auf dem Mond fliegen kann. Doch Anna wird ihn eines Besseren belehren. Sie glaubt Herrn Sumsemann, packt ihren Rucksack und lässt sich zusammen mit ihm ins Weltall katapultieren. Da packt Peter sein Pflichtgefühl und er hüpft Anna hinterher.
Das Abenteuer beginnt. Und das könnte man alleine am Anstieg von Lautstärke und Gebrüll bemerken. Peter ruft in nervenaufreibender Häufigkeit „aaahhhh“ und „oohh“ in diesem Film, so dass auch die letzte Person im Publikum merken wird, dass dann Spannendes und Aufregendes passiert. Gerade in der ersten Hälfte des Films stören der Action-Reichtum und die ausladenden Effekte, die jeden Moment noch spannender machen sollen, aber vom Zauber der Geschichte ablenken.
Peter trifft zunächst auf den Sandmann, Anna macht Bekanntschaft mit den Sternschnuppen, sie lernen auf ihrer fantastischen Reise durchs All die Nachtfee und die Naturgeister kennen und auch den Mondmann, der mit einer Mondkanone die Nachtfee besiegen und das Weltall unterwerfen möchte. Damit wird die Suche nach dem Beinchen kurzerhand zur Rettung des Universums.
Visuell ist Peterchens Mondfahrt gelungen, kann durchaus mit den Filmen der großen Animationsschmieden mithalten und sorgt auch für Überraschungen. Besonders der Mix an Animationstechniken beziehungsweise der Zeichentrickfilm im Animationsfilm, wenn Herr Sumsemann von der Vergangenheit und seiner Geschichte erzählt, ist ein guter Kniff, um das erwachsene Publikum zu entzücken und das intuitive Wahrnehmen der Kinder anzusprechen.
Trotzdem gibt es einiges, was man an der Verfilmung bemängeln kann: die schon erwähnte Hektik der Effekte, überflüssige Plot-Einlagen wie die Mutprobe zu Beginn oder das actiongeladene Rennen über die Milchstraße, die klischeehaften Figuren und angestrengt nach Diversität strebenden Naturgeister, die nur angeschnittene Rahmenhandlung um den verunglückten Astronautenvater, dem Peter hinterher trauert und nacheifert – aufgelöst wird das am Ende nicht, gebraucht hätte man das auch nicht. Der Film schafft zwar einen guten Einstieg und holt die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer in ihrer heutigen Lebenswelt ab, aber der Sprung ins Fantastische und vor allem in das Magische des Märchens gelingt nicht.
Und das ist die größte Enttäuschung an Peterchens Mondfahrt: Eine wunderschön erzählte Geschichte, so antiquiert und unmodern das Original auch sein mag, verliert ihren Zauber komplett, eben weil der Film sie über seine Effekte, seine Optik und seine Ambitionen verliert. Der Wunsch, Kindern mit technischen Mitteln, vielen Nebenplots und Actionmomenten gute Unterhaltung zu bieten, wird allem voranstellt und mündet in einen beklagenswerten Aktionismus. Gerade der Nachwuchs lässt sich auch von den kleinen klugen Geschichten begeistern, aber dafür braucht es auch ruhige Momente – damit sich die jungen Zuschauer auf die Geschichte einlassen können. Gerade (aber nicht nur) im Kinderfilm ist ein Weniger manchmal mehr.
Vom Regisseur, der auch die Pettersson und Findus-Filme gemacht hat, hätte man mehr Feingefühl für den Originalstoff erwartet. Was er bei der Buchreihe von Sven Nordqvist geschafft hat, ist ihm hier nicht gelungen: Das Gefühl, das Kinder wie Erwachsene beim (Vor-) Lesen im Bauch haben, auf die Leinwand zu werfen. Das ist schade! Und fraglich ist, wer sich den Film anschauen soll. Menschen, die das Märchen von Peterchens Mondfahrt lieben, sei auf jeden Fall davon abgeraten.